{"id":9448,"date":"2024-02-01T11:00:44","date_gmt":"2024-02-01T10:00:44","guid":{"rendered":"https:\/\/www.gabarcelona.com\/?p=9448"},"modified":"2024-02-01T11:02:21","modified_gmt":"2024-02-01T10:02:21","slug":"antoni-gaudi-gegenwartsarchitektur","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.gabarcelona.com\/de\/blog\/antoni-gaudi-gegenwartsarchitektur\/","title":{"rendered":"Antoni Gaud\u00ed und die Gegenwartsarchitektur"},"content":{"rendered":"

Der gro\u00dfe Meister des katalanischen Jugendstils \u00fcberdauert die Zeit und inspiriert Architekten bis heute<\/h2>\n
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Restaurierung der Casa Vicens mit skulpturaler Treppe von Mart\u00ednez Lape\u00f1a – Torres Arquitectos, \u00a9 Pol Viladoms\/Casa Vicens<\/p><\/div>\n

Eine Ann\u00e4herung an die zeitlose Figur Gaud\u00eds<\/h2>\n

Das Werk Antoni Gaud\u00eds hat seit jeher Generationen von Architekten und Architekturliebhabern fasziniert und zu Interpretationen angeregt – und dabei nicht selten vor R\u00e4tsel gestellt. Nat\u00fcrlich bieten seine offensichtlich vielschichtigen und symbolgeladenen Arbeiten viel Raum f\u00fcr Interpretationen. Gaud\u00eds Werk jedoch umfasst weit mehr als Formen und Symbole. An dieser Stelle wollen wir deshalb zun\u00e4chst einige Orientierungshilfen geben, um einen umfassenden und kontextbezogenen Blick auf sein Wirken zu erm\u00f6glichen, vor allem aber, um die G\u00fcltigkeit seiner Ideen und seines Schaffens zu verstehen, die nicht nur ihrer Zeit weit voraus waren, sondern auch in Zukunft unz\u00e4hlige Architekten und K\u00fcnstler zur Sch\u00f6pfung zeitgen\u00f6ssischer Werke inspirieren werden.<\/p>\n

Gaud\u00ed und der katalanische Jugendstil<\/h2>\n

Zun\u00e4chst einmal gilt es, den sozialen und kulturellen Kontext zu verstehen, in dem Gaud\u00eds Werk entsteht. Barcelona erfuhr in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts einen drastischen Wandel, der ma\u00dfgeblich auf die industrielle Revolution zur\u00fcckzuf\u00fchren war, die sich in wirtschaftlichem Aufschwung und kultureller Bl\u00fcte niederschlug, aber auch zu sozialen Konflikten f\u00fchrte.<\/p>\n

In diesem Spannungsfeld entwickelte sich der katalanische Jugendstil (Modernisme<\/em>) als Ausdrucksform eines neuen industriellen Gro\u00dfb\u00fcrgertums \u2013 eine komplexe, faszinierende und teilweise widerspr\u00fcchliche Bewegung, die sich parallel zum internationalen Jugendstil entwickelte und verschiedene theoretische und stilistische Einfl\u00fcsse aufnahm, unter denen insbesondere die gotische und die maurische Architektur (einschlie\u00dflich islamischer und Mud\u00e9jar-Anleihen) hervorsticht. Aus dieser Ansammlung von Elementen entsteht eine einzigartige Architektur, die trotz ihrer Neigung zum Eklektizismus ein erstaunliches Ma\u00df an Harmonie erreichen kann. Dar\u00fcber hinaus versucht sie, sich in die Zukunft zu projizieren, indem sie industrielle Materialien und Techniken einbezieht, ohne auf \u00fcppige Ornamente zu verzichten. Obgleich sich das Werk Gaud\u00eds in vielerlei Hinsicht als einzigartig erweisen wird, ist es aus dieser Sicht im Wesentlichen modernistisch.<\/p>\n

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Dachterrasse der Casa Mil\u00e0 mit skulpturalen Schornsteinen, \u00a9 Jaume Meneses<\/a>, unter Lizenz CC BY-SA 2.0 DEED<\/a><\/p><\/div>\n

Die Natur als g\u00f6ttliche Inspiration in Gaud\u00eds Werk<\/h2>\n

Zu den wesentlichen Merkmalen seiner Architektur geh\u00f6rt Gaud\u00eds Inspiration durch die Natur. Obwohl wir diese Facette auch in den Projekten von Dom\u00e8nech i Montaner finden, ist sie in Gaud\u00eds Werk von Anfang an pr\u00e4sent und wird mit dessen zunehmender k\u00fcnstlerischer Reife an Bedeutung gewinnen. Die Natur wird ihn dazu bringen, mit ebenso einzigartigen wie suggestiven Formen zu experimentieren, die an Berge, Algen, Drachen, Knochen oder sogar Tintenfische erinnern. Gaud\u00ed k\u00f6nnte auch als Vorl\u00e4ufer dessen betrachtet werden, was heute als biomimetische Architektur bezeichnet wird. Ausschlaggebend f\u00fcr seine Hinwendung zur Natur waren seine Vorliebe f\u00fcr Enzyklop\u00e4dien und biologische Abhandlungen, aber auch sein ausgepr\u00e4gter Glaube. Denn welches Vorbild w\u00e4re f\u00fcr einen gl\u00e4ubigen Menschen besser geeignet als das Werk Gottes selbst?<\/p>\n

Gaud\u00eds Architektur aus konstruktiver Sicht<\/h2>\n

Ein weiteres Merkmal, das Gaud\u00ed von seinen Mitstreitern unterscheidet, ist seine Experimentier- und Innovationsfreude im Hinblick auf baukonstruktive L\u00f6sungen.
\nDas wohl bekannteste Beispiel f\u00fcr diese Facette des Architekten ist das ber\u00fchmte H\u00e4ngemodell f\u00fcr die Kirche der Col\u00f2nia G\u00fcell, das mit Seilen und Gewichten angefertigt wurde und aus einer Abfolge von parabolischen B\u00f6gen besteht. Tats\u00e4chlich sind parabolische B\u00f6gen in der Architekturgeschichte recht selten und k\u00f6nnen gewisserma\u00dfen als Markenzeichen Gaud\u00eds betrachtet werden. Aber es bleibt nicht bei diesem einen Beispiel: So erm\u00f6glicht die Konstruktion der Casa Mil\u00e0, bei der sowohl die Fassade als auch die Innenw\u00e4nde ihre tragende Funktion verlieren, eine flexible Raumaufteilung und gro\u00dfe Fenster \u2013 und damit die Anwendung von Prinzipien, die f\u00fcr die damalige Zeit als avantgardistisch gelten.<\/p>\n

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Parabelb\u00f6gen im Dachgeschoss der Casa Mil\u00e0, \u00a9 Manuel Torres Garcia\/Unsplash<\/a><\/p><\/div>\n

Gaud\u00eds Erstlingswerk: die Casa Vicens und deren Umbau in ein Museum<\/h2>\n

Die Casa Vicens verdeutlicht, dass Gaud\u00ed schon zu Beginn seiner Karriere eine ausgepr\u00e4gte k\u00fcnstlerische Pers\u00f6nlichkeit besa\u00df. Eher der Arts-and-Crafts-Bewegung als dem Jugendstil zuzuordnen, zeigt Gaud\u00eds Erstlingswerk bereits die ornamentale \u00dcberladenheit sp\u00e4terer Werke und Details von betr\u00e4chtlicher Originalit\u00e4t. Die Casa Vicens unterlag mehreren Umbauten, unter denen die Erweiterung im Jahr 1927 den wichtigsten Eingriff darstellt: vermittels einer nahezu exakten Kopie des Originalgeb\u00e4udes wurde dessen Fl\u00e4che verdoppelt.<\/p>\n

Im 21. Jahrhundert f\u00e4llt der Beschluss, das Haus in ein Museum umzuwandeln, und der Anbau von 1927 wird genutzt, um einen praktischen, aber k\u00fchnen Eingriff zu realisieren. Die mit den Umbauma\u00dfnahmen zur Nutzungsanpassung beauftragten Architekten Mart\u00ednez Lape\u00f1a-Torres schlagen den Bau einer neuen Treppe als Ersatz f\u00fcr den 1927 abgerissenen Aufgang von Gaud\u00ed vor. Dabei entsprach die Treppe einer funktionalen Anforderung, um touristische Besuche zu erm\u00f6glichen, wurde aber auch als ein skulpturales Element mit einer hochkomplexen Geometrie konzipiert und etabliert so einen asymmetrischen, aber bereichernden Dialog mit dem modernistischen Geb\u00e4ude. Es ist weder ein zaghafter noch ein nachahmender Eingriff. Mart\u00ednez Lape\u00f1a-Torres lassen sich von Gaud\u00ed inspirieren und respektieren ihn, schaffen jedoch etwas v\u00f6llig Neues.<\/p>\n

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Casa Vicens, Antoni Gaud\u00eds erstes Haus, \u00a9 Pol Viladoms\/Casa Vicens<\/p><\/div>\n

Die Casa Batll\u00f3 als kreativer und chromatischer H\u00f6hepunkt<\/h2>\n

Die Casa Batll\u00f3 unterscheidet sich ma\u00dfgeblich von der Casa Vicens, da sie nicht mehr der Reife-, sondern der Meisterphase Gaud\u00eds entstammt. Dar\u00fcber hinaus gilt darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesem Projekt um die Renovierung eines bereits bestehenden Geb\u00e4udes handelte, das einer vollst\u00e4ndigen Metamorphose unterzogen wurde. In deren Verlauf verwandelte es sich von einem unscheinbaren Geb\u00e4ude in ein Meisterwerk der Kreativit\u00e4t und eines der semiotisch reichsten Werke Gaud\u00eds.<\/p>\n

Gleichzeitig ist es auch eines der farbenpr\u00e4chtigsten Geb\u00e4ude in Gaud\u00eds Repertoire, und dies ist nur einer unter vielen Aspekten, in denen der Architekt seiner Zeit voraus war. Das ber\u00fchmte Trencad\u00eds, das die Fassade der Casa Batll\u00f3 schm\u00fcckt, ist eine Variante der keramischen Verkleidungen, die auch von anderen Vertretern des katalanischen Jugendstils verwendet wurde. Die von Gaud\u00ed in Zusammenarbeit mit Josep Maria Jujol entwickelte Technik besteht darin, Mosaike aus unregelm\u00e4\u00dfigen Bruchst\u00fccken zu schaffen \u2013 meist aus zerbrochenen Fliesen, die von den Herstellern aussortiert wurden. Aus zeitgen\u00f6ssischer Perspektive w\u00e4re dies ein deutliches Beispiel f\u00fcr Recycling, ein weiterer Aspekt, in dem Gaud\u00ed die Zukunft vorwegzunehmen scheint.<\/p>\n

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Mit Trencad\u00eds verkleidete Hauptfassade von Gaud\u00eds Casa Batll\u00f3, \u00a9 F. Delventhal\/Flickr<\/a>, unter Lizenz CC BY 2.0 DEED<\/a><\/p><\/div>\n

Kengo Kumas Hommage an Gaud\u00ed<\/h2>\n

Die Ver\u00e4nderungen, die die Casa Batll\u00f3 im Laufe der Zeit erfahren hat, waren weniger dramatisch, aber die j\u00fcngste und bedeutendste verdient es, erw\u00e4hnt zu werden. Der japanische Architekt Kengo Kuma unternimmt einen chirurgischen, nicht minder gewagten Eingriff wie der in der Casa Vicens. Seine Renovierung (2021) betrifft ausgew\u00e4hlte Bereiche im Keller- und Erdgeschoss, in denen eine neue Wendeltreppe mit an Knochen erinnernden, organischen Formen eingef\u00fcgt wird \u2013 eine Neuinterpretation der seinerzeit von Gaud\u00ed geschaffenen Treppe, um Zugang in die Privatgem\u00e4cher der Familie Batll\u00f3 zu erhalten.<\/p>\n

Die bedeutendste Intervention Kumas erfolgt jedoch an einer Feuertreppe, die das gesamte Geb\u00e4ude vertikal erschlie\u00dft. Dieser Verkehrsraum wird in den touristischen Rundgang eingebunden und gleichzeitig in eine skulpturale Installation verwandelt. Kuma ersetzt das in seinen Arbeiten \u00fcbliche Holz durch Aluminiumketten, deren wellenf\u00f6rmige Komposition den Besucher in einen immersiven, sensorischen Erlebnisraum eintauchen l\u00e4sst. Als Inspirationsquelle dient ihm das H\u00e4ngemodell f\u00fcr die Kirche der Col\u00f2nia G\u00fcell mit ihren Ketten, aber das Resultat ist unverkennbar ein zeitgen\u00f6ssisches Werk, das beil\u00e4ufig mit dem modernistischen Geb\u00e4ude und sogar mit anderen Gaud\u00ed-Projekten zu flirten scheint.<\/p>\n

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Kengo Kumas skulpturaler Metallvorhang in der Casa Batll\u00f3, \u00a9 GA Barcelona<\/p><\/div>\n

Die Casa Mil\u00e0, Vorl\u00e4ufer des Freien Grundrisses<\/h2>\n

Die verschiedenen Renovierungen, die in den letzten Jahrzehnten in der Casa Mil\u00e0 durchgef\u00fchrt wurden, geben einen weiteren Hinweis auf Gaud\u00eds N\u00e4he zur Gegenwartsarchitektur \u2013 angefangen bei den 1955 von Francisco Barba Corsini im Dachgeschoss von La Pedrera gestalteten, heute nicht mehr existenten Apartments bis hin zur Umwandlung des 1. Stocks in Ausstellungsr\u00e4ume. Die durch das Entfernen der Trennw\u00e4nde erfolgte \u00d6ffnung dieses Bereichs ist eines der anschaulichsten und vielleicht untersch\u00e4tztesten Beispiele f\u00fcr die realen und potenziellen Qualit\u00e4ten von Gaud\u00eds Architektur. Hier kommt fr\u00fch das konstruktive System des Freien Grundrisses zur Umsetzung, welches erst in den 1920er Jahren von den Vorreitern der Moderne wie Mies van der Rohe und Le Corbusier konsolidiert wurde. Tats\u00e4chlich zeigte Le Corbusier seine Bewunderung und seinen Respekt f\u00fcr Gaud\u00eds Werk und die Casa Mil\u00e0 im Besonderen, indem er die gemeinsamen Prinzipien herausstellte, zu denen auch die selbsttragende Fassade und der Dachgarten geh\u00f6rten, und gleichzeitig auf die Divergenz der daraus resultierenden Entw\u00fcrfe hinwies.<\/p>\n

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Antoni Gaudis Casa Mil\u00e0, \u00a9 Thomas Ledl<\/a>, unter Lizenz CC BY-SA 4.0 DEED<\/a><\/p><\/div>\n

Gaud\u00ed wandte den freien Grundriss hier auf eine fast empirische und ganz und gar unorthodoxe Weise an: Steins\u00e4ulen und Metalltr\u00e4ger bilden eine Konstellation und kein Raster. Die Absicht des Architekten war sicherlich nicht, einen gro\u00dfen, offenen, flie\u00dfenden Raum zu schaffen, aber seine bautechnische K\u00fchnheit erm\u00f6glicht genau das: Die Ausstellungsr\u00e4ume sowie der 2006 im Dachgeschoss realisierte sogenannte Espai Gaud\u00ed verdeutlichen die strukturelle und funktionelle Flexibilit\u00e4t der Casa Mil\u00e0 und verl\u00e4ngern das Leben des Geb\u00e4udes \u00fcber seinen urspr\u00fcnglichen Zweck hinaus.<\/p>\n

Der von Toyo Ito geschaffene Dialog zwischen La Pedrera und seinem Appartementhaus Suites Avenue (2009), die sich auf der gegen\u00fcberliegenden Seite des Passeig de Gr\u00e0cia befinden, ist ein weiteres Beispiel f\u00fcr die Relevanz Gaud\u00eds als Ideengeber in der Gegenwartsarchitektur. Ito ahmt die geschwungene Form des modernistischen Geb\u00e4udes in Gestalt einer Doppelfassade nach, ein charakteristisches Merkmal seines architektonischen Repertoires, bei dem wellenf\u00f6rmig gebogene Metallelemente vor eine verglaste Fl\u00e4che gesetzt werden.<\/p>\n

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Toyo Itos Suites Avenue Apartments am Passeig de Gr\u00e0cia in Barcelona, \u00a9 Lu\u00eds Alvoeiro Quaresma\/Unsplash<\/a><\/p><\/div>\n

Gaud\u00eds Sagrada Familia, eine unvollendete Sinfonie<\/h2>\n

Schlie\u00dflich l\u00e4sst es sich schwer vermeiden, \u00fcber die Sagrada Familia zu sprechen \u2013 ein umstrittenes Projekt, das sich stark von seinen Vorg\u00e4ngern unterscheidet, aber wie kaum ein anderes Gaud\u00eds Gegenwartsbezug illustriert. Gaud\u00ed \u00fcbernahm ein bereits begonnenes und eher mittelm\u00e4\u00dfiges Projekt, um es in eine weitere architektonische Sensation zu verwandeln \u2013 so einzigartig, dass sein Tod den Fortgang der Bauarbeiten jahrzehntelang l\u00e4hmte. Letztendlich nahmen sich private Initiativen der scheinbar unm\u00f6glichen Aufgabe an, den Kirchenbau zu vollenden, stie\u00dfen dabei jedoch auf eine Vielzahl von Hindernissen \u2013 angefangen bei den nur wenigen Pl\u00e4nen und Modellen, die der Architekt hinterlassen hatte, deren Originale verloren gegangen waren und in einem nicht unumstrittenen Verfahren wiederhergestellt wurden.<\/p>\n

Mit dem Versuch, das Werk von Gaud\u00ed ohne ein integrales oder klar definiertes Referenzmodell zu rekonstruieren, wurde die erste schwierige Entscheidung getroffen. Ein solches Vorgehen lie\u00dfe sich zum Teil damit begr\u00fcnden, dass die Pl\u00e4ne f\u00fcr andere Projekte des Architekten erheblich von den fertigen Geb\u00e4uden abwichen. Aber genau das zeigt die Schwierigkeit des Unterfangens. Gaud\u00eds Werke entsprachen nie direkt in die Realit\u00e4t umgesetzten Entw\u00fcrfen. Vielmehr waren sie das Ergebnis evolution\u00e4rer Prozesse, bei denen sich die Elemente entwickelten und ver\u00e4nderten, bis sie ihre endg\u00fcltige Form annahmen \u2013 ein Modus Operandi<\/em>, der ohne den Architekten aus Reus nicht nachzuahmen ist.<\/p>\n

Ob es einem gef\u00e4llt oder nicht, vielleicht war der Ansatz des Bildhauers Josep Maria Subirachs treffender, der versuchte, sich das Geb\u00e4ude der Sagrada Familia anzueignen, indem er zus\u00e4tzliche, sich jedoch deutlich von Gaud\u00eds Formensprache unterscheidende Bauteile schaffte. Besonders deutlich ist das an der Passionsfassade zu sehen, wo die T\u00fcrme den Originalen stark \u00e4hneln, aber die kantigen skulpturalen Elemente einen ganz eigenen Charakter erhalten.<\/p>\n

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Die Sagrada Familia, Antoni Gaud\u00eds unvollendetes Meisterwerk, \u00a9 Canaan<\/a>, unter Lizenz CC BY-SA 4.0 DEED<\/a><\/p><\/div>\n

In den letzten Jahrzehnten ist die Kirche in rasantem Tempo weitergewachsen und hat den Rahmen dessen, was man Gaud\u00ed als Architekt zuschreiben kann, deutlich \u00fcberschritten. Die Ausf\u00fchrung des Kirchenschiffs und der zus\u00e4tzlichen T\u00fcrme stellt eine Herausforderung dar, deren konstruktive L\u00f6sung zwar Anerkennung verdient, deren Angemessenheit aber nur schwer neutral zu beurteilen ist. Es ist so etwas wie eine unm\u00f6gliche Aufgabe, Gaud\u00eds Projekt ohne seine Beteiligung fortzuf\u00fchren, und vielleicht w\u00e4re es konsequenter, die Sagrada Familia als eine mittelalterliche Kirche anzunehmen, in der verschiedene Autoren intervenieren und zuweilen ihre pers\u00f6nliche Handschrift hinterlassen. Der beeindruckende S\u00e4ulenwald im Kirchenschiff, das auff\u00e4lligste Element dieser j\u00fcngsten Etappe, ist offensichtlich von den Prinzipien Gaud\u00eds inspiriert, sollte jedoch eher als zeitgen\u00f6ssisches Werk denn als „blo\u00dfe Fortf\u00fchrung“ eines unvollendeten Projekts betrachtet werden.<\/p>\n

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St\u00fctzenwald im Innern der Sagrada Familia, \u00a9 Yabba You<\/a>, unter Lizenz CC BY-ND 2.0 DEED<\/a><\/p><\/div>\n

Antoni Gaud\u00ed, unersch\u00f6pflicher Quell der Inspiration<\/h2>\n

Anhand der genannten Beispiele, die beileibe nicht die einzigen sind, wollten wir die Aktualit\u00e4t Antoni Gaud\u00eds aufzeigen \u2013 ein faszinierender und bisweilen widerspr\u00fcchlicher Architekt, dessen Verm\u00e4chtnis sich nicht allein auf die Werke beschr\u00e4nkt, die er verwirklicht hat. Er ist eine unverzichtbare Referenz, um die Architektur Barcelonas zu verstehen, aber auch, sich der Geschichte der westlichen Architektur und sogar bestimmter Aspekte der Gegenwartsarchitektur bewusst zu werden.<\/p>\n

Wahrscheinlich ist es f\u00fcr Sie eine Selbstverst\u00e4ndlichkeit, bei Ihrem n\u00e4chsten Besuch in Barcelona die Besichtigung einer oder mehrerer Werke Gaud\u00eds fest einzuplanen, aber wir empfehlen Ihnen auch, einen Blick auf die zeitgen\u00f6ssischen An-, Um- und Neubauten zu werfen, die von den Arbeiten des gro\u00dfen Meister des Modernisme inspiriert sind bzw. diese manchmal vortrefflich erg\u00e4nzen.<\/p>\n

Text: Pedro Capriata<\/p>\n

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Turmspitze der Sagrada Familia, \u00a9 Mireia Garcia Bermejo<\/a>, Lizenz unter CC BY-SA 3.0 ES DEED<\/a><\/p><\/div>\n<\/div>

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LITERATURVERZEICHNIS<\/p>\n

Bassegoda, J. (2002). Gaud\u00ed o Espacio, luz y equilibrio<\/em>. Criterio Libros.<\/p>\n

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