Barcelonas Superblöcke und Grünachsen, Bausteine für eine nachhaltige Stadtentwicklung

Die Stadt beschleunigt den ökologischen Wandel durch die Schaffung von grünen Achsen und Plätzen

Superblock Sant Antoni, © Mariona Gil/barcelona.cat, unter Lizenz CC BY-NC-ND 4.0

Superblöcke: Barcelonas Weg zur Neuerfindung des öffentlichen Raums

Einer der spannendsten städtebaulichen Ansätze der letzten Jahrzehnte findet sich einmal mehr im umtriebigen Barcelona. Die Rede ist von sogenannten Superblöcken oder Superilles, einem Konzept, das einem umfassenden Stadterneuerungsprojekt gleichkommt und damit weit über die eigentliche Bedeutung seines Namens hinausgeht. Wie erwartet hat die Umsetzung der ersten Superblöcke die Debatte über die möglichen Vor- und Nachteile des Konzepts verstärkt in den Mittelpunkt gerückt. Die Stadtverwaltung von Barcelona selbst betrachtet sie als Pilotprojekt, aber auch als unumgänglichen Paradigmenwechsel, um die Nachhaltigkeit der Stadt mittel- und langfristig zu gewährleisten. Vielleicht beginnen hier die Kommunikationsprobleme, denn es ist, als würde man uns sagen: „Probiert es aus und schaut, ob es euch gefällt – wenn nicht, müsst ihr dennoch damit leben.“

Aber lassen Sie uns zunächst definieren, was Superblöcke sind. Im ursprünglichen Sinne handelt es sich um Megablöcke, die durch Zusammenlegung von neun herkömmlichen Stadtblöcken entstehen. Erreicht wird der Zusammenschluss durch die Neuordnung des öffentlichen Raums zwischen den Blöcken und nicht etwa dadurch, dass die Zwischenräume mit weiteren Gebäuden gefüllt werden. Zu den Maßnahmen gehören die Öffnung des Stadtraums für neue Nutzungen und die Einschränkung des Autoverkehrs zugunsten von Fußgängern und Fahrrädern. Ziel ist es, Lärm, Verkehr und Umweltverschmutzung in diesen Gebieten zu reduzieren, den Bürgern mehr und attraktiveren Lebensraum zur Verfügung zu stellen und Barcelona insgesamt zu einer nachhaltigeren Stadt zu machen.

Spielplatz im Superblock Poblenou, © Curro Palacios/barcelona.cat, unter Lizenz CC BY-NC-ND 4.0

Obwohl dieses Modell theoretisch auf jede Stadt mit regelmäßigem Grundriss anwendbar ist, erweist es sich im Zusammenhang mit dem Eixample, dem von Ildefons Cerdà Mitte des 19. Jahrhunderts entworfenen Projekt zur Erweiterung Barcelonas, als besonders interessant. Cerdàs Plan wurde zwar nicht in allen Einzelheiten umgesetzt, aber das Raster, die vorgesehenen Straßenbreiten und die charakteristischen Abschrägungen an den Ecken der Blöcke (Xamfrans) wurden fast ausnahmslos eingehalten. Diese Abschrägungen ermöglichen heute die Schaffung von öffentlichen Plätzen unterschiedlichen Charakters an fußgängerfreundlichen Kreuzungen.

Die Wiederbelebung des Straßenraums: Salvador Rueda und Jane Jacobs‘ geistiges Erbe

Lassen Sie uns nun versuchen, den Ursprung des Superblock-Konzepts näher zu beleuchten. Die treibende Kraft hinter dem Projekt ist Salvador Rueda, ein auf Stadtplanung und Nachhaltigkeitsfragen spezialisierter Psychologe, der auf eine langjährige Karriere in öffentlichen Einrichtungen zurückblicken kann. Ruedas spezifische Ansätze sind zwar neu, beruhen aber auf Prinzipien, die seit Jahrzehnten im Mittelpunkt der städtebaulichen Debatte stehen und sich vor allem um die Priorisierung von Fußgängerzonen drehen.

Es ist daher sinnvoll, sich an den Ideen von Jane Jacobs zu orientieren, die im Hinblick auf die Entstehung und Konsolidierung aktueller Stadttheorien als Wegbereiterin gilt. Jacobs (2011) stellte den Menschen in den Mittelpunkt ihres Denkens, analysierte bestehende Situationen und schlug Strategien wie die funktionale Diversifizierung zur Verbesserung und Wiederbelebung städtischer Umgebungen vor.

Bodenmarkierungsarbeiten in der Carrer Pelai, © Ajuntament de Barcelona, unter Lizenz CC BY-NC-ND 2.0

In Tod und Leben großer amerikanischer Städte spricht Jacobs die Empfehlung aus, die Größe der Stadtblöcke zu verringern. Zunächst könnte man meinen, dass Rueda sich in die entgegengesetzte Richtung der Autorin bewegt, aber wenn man Jacobs‘ Ausführungen aufmerksam liest, wird man feststellen, dass dies nicht der Fall ist. Die Verkleinerung der Blöcke sollte der Zunahme und Diversifizierung der Fußgängerströme dienen – ein Anliegen, das durch die Superblöcke zumindest teilweise erreicht wird.

Jacobs‘ einziger Einwand, der in diesem Zusammenhang relevant sein könnte, wäre, dass große Blöcke den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln erschweren. Aber selbst wenn sich die Blöcke auf magische Weise fraktionieren würden, wie ihre Diagramme nahelegen, ist es unwahrscheinlich, dass der öffentliche Verkehr seine festgelegten Routen ändern würde. Es scheint also, dass die Superblöcke in ihren Grundzügen dem theoretischen Rahmen von Jacobs entsprechen.

Entschleunigung und Schaffung von Übergangszonen: Jahn Gehl und seine „weichen Gebäudekanten“

In den Superblöcken lassen sich auch die Visionen des Dänen Jan Gehl erkennen, einem weiteren Vordenker zeitgenössischer städtebaulicher Konzepte. Gehl hat eine entscheidende Rolle bei der Umgestaltung Kopenhagens in eine fußgängerfreundliche Stadt gespielt, vor allem aber durch seine Texte einen enormen Einfluss ausgeübt. Zu seinen zentralen Themen gehört auch eines, das für Rueda von besonderer Bedeutung ist: die Geschwindigkeitsbegrenzung.
In Barcelonas experimentellen Superblöcken wurde nicht nur die Zufahrt für Fahrzeuge eingeschränkt, sondern es wurden auch Geschwindigkeitsbegrenzungen eingeführt, die übertrieben streng erscheinen mögen (10 km/h).

Sprintbahn im Superblock Poblenou, © Curro Palacios/barcelona.cat, unter Lizenz CC BY-NC-ND 4.0

Eine weitere Forderung Gehls (2006), die wir teilweise angewendet sehen, sind die sogenannten „weichen Gebäudekanten“, die auf durchlässigen Fassaden mit sozialen oder kommerziellen Aktivitäten beruhen können oder alternativ einer Abfolge von Zwischenräumen, die die Grenzen zwischen öffentlich und privat verwischen. In diesen Fällen kommt der Vegetation eine entscheidende Rolle zu. Dabei ist vorhersehbar, dass die Beschaffenheit der jeweiligen Umgebung die Art der weichen Kanten bestimmen wird und die Ergebnisse unterschiedlich ausfallen können.

Im Superblock Sant Antoni erkennen wir infolge durchgängiger Fassaden und des vielfältigen Einzelhandelsangebots eine stimulierende Umgebung. Im Superblock Poblenou mit seiner diskontinuierlichen Struktur hingegen, scheint die Interaktion zwischen öffentlichem und privatem Raum stärker von den Zwischenräumen abzuhängen. Das Konzept der weichen Kanten deckt sich perfekt mit den Zielvorgaben der Superblöcke und sollte vielleicht konsequenter in die Debatte um die zukünftige Stadtentwicklung einbezogen werden. Wie könnte die Interaktion zwischen Gebäuden und Straßenraum verbessert werden?

Superblock Sant Antoni, © Mariona Gil/barcelona.cat, unter Lizenz CC BY-NC-ND 4.0

Es empfiehlt sich, an ein weiteres Thema zu erinnern, das Gehls Theorien prägt: seine Warnung vor langen Wegen und übermäßig großen Räumen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, haben die Superblöcke möglicherweise einen Nachteil: In Cerdàs Eixample stellen die großen Dimensionen des Rasters den bindenden Rahmen, und die Fußgängerbereiche können zuweilen überdimensioniert oder unzureichend genutzt erscheinen. Aber gerade deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, sich bewusst zu machen, dass die Umgestaltung des öffentlichen Raums nicht nur erfordert, Orte zum Verweilen zu schaffen und gemischte Aktivitäten zu fördern – es ist ebenso wichtig, durch die Fragmentierung von Wegen und Räumen angemessene Maßstäbe zu garantieren.

Barcelonas Grünachsen: ein erweitertes Superblock-System

Nun, da das Projekt der Superblöcke in eine neue Phase eintritt und sich auf die gesamte Stadt ausdehnt, ist es wichtig, seine bisherigen Resultate und Zukunftsaussichten zu analysieren. Podjapolskis (2017), einer der Autoren, die den Superblöcken kritisch gegenüberstehen, ist der Ansicht, dass ihre Ausdehnung auf das gesamte Eixample die Vielfalt des Viertels schmälern könnte, und bezweifelt den Nutzen der Etablierung von nur zwei Kategorien von Straßen: jene für Fahrzeuge und jene für Fußgänger. Diese Einschätzung scheint jedoch die Einführung von Grünachsen als zusätzliche Typologie nicht zu berücksichtigen.

Grünachse zwischen den Straßen Almogàvers und Zamora, © Àlex Losada/barcelona.cat, unter Lizenz CC BY-NC-ND 4.0

Die Grünachsen scheinen das zentrale Element dieser neuen Etappe zu sein, die enorme Erwartungen, aber auch einige Kritik hervorruft. Jeder, der zwischen 2000 und 2015 in Barcelona gelebt hat, wird die Straße im Eixample, in die alle Welt umziehen oder in der man unbedingt ein Geschäft eröffnen wollte, benennen können: Enric Granados. Durch Umwandlung zu einer Fußgängerzone und mehr Grün wurde die Carrer Granados zu einer Oase inmitten einer lauten Nachbarschaft und vermochte gleichzeitig seine Vitalität zu steigern.

Auch wenn es in den letzten Jahren Meinungsverschiedenheiten über die Zunahme des von Restaurantterrassen besetzten Raums gegeben hat, so bleibt Enric Granados doch eine wichtige Bezugsgröße für die Gestaltung neuer Grünachsen.
Es gibt wohl kaum eine bessere Werbung als die Präsentation erfolgreicher Ergebnisse, und so soll an dieser Stelle auch auf die jüngste Umgestaltung der Carrer Cristóbal de Moura hingewiesen werden, Prototyp einer Grünachse, deren Ambitionen die der Carrer Enric Granados deutlich übertreffen.

Grünachse Carrer Cristobal de Moura, © GA Barcelona

Verständlicherweise können am für den Stadtumbau neu gesetzten Maßstab Zweifel aufkommen, denn es ist nicht das Gleiche, eine einzelne Straße zu befrieden oder eben jede dritte. Salvador Rueda selbst hat sich kritisch zu den überarbeiteten Zielen der Stadtverwaltung geäußert, die sich von den ursprünglichen Ideen entfernen würden (Suñé, 2022). Es ist wichtig, auch in Zukunft eine ganzheitliche urbane Strategie zu verfolgen, in der die negativen Folgen des Modells mit einkalkuliert werden, um diese zu minimieren, ohne die grundlegenden Zielvorgaben zu gefährden.

Netz der neuen grünen Achsen und Plätze, © Ajuntament de Barcelona

Barcelonas ökologischer Wandel: auf dem Weg zu einer partizipativen und nachhaltigen Stadt

Es ist schwierig, eine vollständige und objektive Bilanz der bisher durchgeführten Maßnahmen zu ziehen. Es liegt auf der Hand, dass es Verbesserungsmöglichkeiten gibt, sei es in Bezug auf die Kommunikation, das Marketing, die Entscheidungsfindung oder die Umsetzung konkreter Konzepte. Die Tatsache, dass fast die Hälfte der befragten Anwohner immer noch Vorbehalte gegen die Superblöcke hat, ist wohl eher eine Folge spezifischer funktionaler und gestalterischer Mängel oder gar politischer Animositäten als eine klare Absage an die dem Projekt zugrunde liegenden Ideen (El Periódico, 2023).

Auf alle Fälle spielt die Bürgerbeteiligung eine entscheidende Rolle für die Akzeptanz und den letztendlichen Erfolg des Programms und ist eindeutig einer der Punkte, an denen gearbeitet werden muss. Intensivierung und Systematisierung im Hinblick auf die objektive Auswertung der Ergebnisse (Faktoren wie Lärm, Luftverschmutzung und sogar die Interaktion zwischen den Menschen sind perfekt messbar) können dazu beitragen, Verbesserungen bei der Umsetzung der Superblöcke sichtbar zu machen und unzufriedene Nachbarn mit ihrer neuen Umgebung zu versöhnen.

Superblock Poblenou, © Curro Palacios/barcelona.cat, unter Lizenz CC BY-NC-ND 4.0

Und wenn Cerdàs Projekt in einer Hinsicht als Vorbild dienen sollte, dann in seiner Widerstandsfähigkeit. Die heterodoxe Anwendung des Eixample-Rasters hat sein Fortbestehen bis heute garantiert und seine Gültigkeit bewiesen. Stadtplanung war noch nie eine exakte Wissenschaft, und die Fähigkeit, sich an Umgebungen mit unterschiedlicher Funktionalität, Morphologie und Dichte anzupassen, dürfte nicht nur für die Konsolidierung des Projekts in Barcelona, sondern auch für dessen Export in andere Städte entscheidend gewesen sein. In diesem Zusammenhang ist die aufschlussreiche Lektüre von Sven Eggimann (2022) zu empfehlen. In jedem Fall ist das Potenzial der Superblöcke enorm und wurde noch nicht vollständig ausgeschöpft. Wir laden Sie ein, deren Entwicklung in den kommenden Monaten und Jahren mit uns zu verfolgen, ohne jemals das kritische Denken aufzugeben.

Stadtmobiliar im Superblock Sant Antoni, © RdA Suisse/Flickr, unter Lizenz CC BY 2.0

Text: Pedro Capriata

BIBLIOGRAFIE

Ajuntament de Barcelona (marzo 2021). Resolución de los concursos de ideas de Superilla Barcelona. https://ajuntament.barcelona.cat/superilles/es/content/resolucion-de-los-concursos-de-ideas-de-superilla-barcelona

Centre de Cultura Contemporània de Barcelona (2014). Salvador Rueda.
https://www.cccb.org/es/participantes/ficha/salvador-rueda/6055

Eggimann, S. (2022). The potential of implementing superblocks for multifunctional street use in cities. Nature Sustainability 5, 406–414.
https://doi.org/10.1038/s41893-022-00855-2

EIT Urban Mobility (2020). How can Superblocks transform public space? | With Salvador Rueda.
https://www.youtube.com/watch?v=H4xPdbPjmzc&t=2s

El Periódico (enero 2023). Aval a los nuevos radares en Barcelona, gran división sobre las ’superilles‘ – Encuesta preelectoral del GESOP.
https://www.elperiodico.com/es/barcelona/20230131/encuesta-elecciones-municipales-barcelona-2023-radares-superilles-patinetes-82220193

Gehl, J. (2006). La humanización del espacio urbano. Editorial Reverté.

Jacobs, J. (2011). Muerte y vida de las grandes ciudades. Capitán Swing Libros.

Podjapolskis, R. (2017). Supermanzanas bajo sospecha: el proyecto de Superislas para Ensanche frente a su alternativa. Universitat Politècnica de Catalunya.
https://upcommons.upc.edu/handle/2117/108293

Rueda, S. (2017). Ecosystemic urbanism: a way to make cities more sustainable. Barcelona Metròpolis, Num 102,
https://www.barcelona.cat/bcnmetropolis/2007-2017/en/author/salvador-rueda/

Suñé, R. (abril 2022). El ‚padre‘ de la supermanzana cuestiona por ineficiente el plan del Ayuntamiento de Barcelona. La Vanguardia.
https://www.lavanguardia.com/local/barcelona/20220429/8233036/padre-supermanzana-cuestiona-ineficiente-plan-ayuntamiento-barcelona.html

Wikipedia (2022). Plan Cerdá
https://es.wikipedia.org/wiki/Plan_Cerd%C3%A1

Published On: März 13, 2023Categories: blog
APROP: Container-Häuser zur Bekämpfung der Wohnungsnot in Barcelona
Neuer sozialer Wohnbau in Barcelona, ein Vorbild für Innovation und Nachhaltigkeit

Barcelonas Superblöcke und Grünachsen, Bausteine für eine nachhaltige Stadtentwicklung

Die Stadt beschleunigt den ökologischen Wandel durch die Schaffung von grünen Achsen und Plätzen

Superblock Sant Antoni, © Mariona Gil/barcelona.cat, unter Lizenz CC BY-NC-ND 4.0

Superblöcke: Barcelonas Weg zur Neuerfindung des öffentlichen Raums

Einer der spannendsten städtebaulichen Ansätze der letzten Jahrzehnte findet sich einmal mehr im umtriebigen Barcelona. Die Rede ist von sogenannten Superblöcken oder Superilles, einem Konzept, das einem umfassenden Stadterneuerungsprojekt gleichkommt und damit weit über die eigentliche Bedeutung seines Namens hinausgeht. Wie erwartet hat die Umsetzung der ersten Superblöcke die Debatte über die möglichen Vor- und Nachteile des Konzepts verstärkt in den Mittelpunkt gerückt. Die Stadtverwaltung von Barcelona selbst betrachtet sie als Pilotprojekt, aber auch als unumgänglichen Paradigmenwechsel, um die Nachhaltigkeit der Stadt mittel- und langfristig zu gewährleisten. Vielleicht beginnen hier die Kommunikationsprobleme, denn es ist, als würde man uns sagen: „Probiert es aus und schaut, ob es euch gefällt – wenn nicht, müsst ihr dennoch damit leben.“

Aber lassen Sie uns zunächst definieren, was Superblöcke sind. Im ursprünglichen Sinne handelt es sich um Megablöcke, die durch Zusammenlegung von neun herkömmlichen Stadtblöcken entstehen. Erreicht wird der Zusammenschluss durch die Neuordnung des öffentlichen Raums zwischen den Blöcken und nicht etwa dadurch, dass die Zwischenräume mit weiteren Gebäuden gefüllt werden. Zu den Maßnahmen gehören die Öffnung des Stadtraums für neue Nutzungen und die Einschränkung des Autoverkehrs zugunsten von Fußgängern und Fahrrädern. Ziel ist es, Lärm, Verkehr und Umweltverschmutzung in diesen Gebieten zu reduzieren, den Bürgern mehr und attraktiveren Lebensraum zur Verfügung zu stellen und Barcelona insgesamt zu einer nachhaltigeren Stadt zu machen.

Spielplatz im Superblock Poblenou, © Curro Palacios/barcelona.cat, unter Lizenz CC BY-NC-ND 4.0

Obwohl dieses Modell theoretisch auf jede Stadt mit regelmäßigem Grundriss anwendbar ist, erweist es sich im Zusammenhang mit dem Eixample, dem von Ildefons Cerdà Mitte des 19. Jahrhunderts entworfenen Projekt zur Erweiterung Barcelonas, als besonders interessant. Cerdàs Plan wurde zwar nicht in allen Einzelheiten umgesetzt, aber das Raster, die vorgesehenen Straßenbreiten und die charakteristischen Abschrägungen an den Ecken der Blöcke (Xamfrans) wurden fast ausnahmslos eingehalten. Diese Abschrägungen ermöglichen heute die Schaffung von öffentlichen Plätzen unterschiedlichen Charakters an fußgängerfreundlichen Kreuzungen.

Die Wiederbelebung des Straßenraums: Salvador Rueda und Jane Jacobs‘ geistiges Erbe

Lassen Sie uns nun versuchen, den Ursprung des Superblock-Konzepts näher zu beleuchten. Die treibende Kraft hinter dem Projekt ist Salvador Rueda, ein auf Stadtplanung und Nachhaltigkeitsfragen spezialisierter Psychologe, der auf eine langjährige Karriere in öffentlichen Einrichtungen zurückblicken kann. Ruedas spezifische Ansätze sind zwar neu, beruhen aber auf Prinzipien, die seit Jahrzehnten im Mittelpunkt der städtebaulichen Debatte stehen und sich vor allem um die Priorisierung von Fußgängerzonen drehen.

Es ist daher sinnvoll, sich an den Ideen von Jane Jacobs zu orientieren, die im Hinblick auf die Entstehung und Konsolidierung aktueller Stadttheorien als Wegbereiterin gilt. Jacobs (2011) stellte den Menschen in den Mittelpunkt ihres Denkens, analysierte bestehende Situationen und schlug Strategien wie die funktionale Diversifizierung zur Verbesserung und Wiederbelebung städtischer Umgebungen vor.

Bodenmarkierungsarbeiten in der Carrer Pelai, © Ajuntament de Barcelona, unter Lizenz CC BY-NC-ND 2.0

In Tod und Leben großer amerikanischer Städte spricht Jacobs die Empfehlung aus, die Größe der Stadtblöcke zu verringern. Zunächst könnte man meinen, dass Rueda sich in die entgegengesetzte Richtung der Autorin bewegt, aber wenn man Jacobs‘ Ausführungen aufmerksam liest, wird man feststellen, dass dies nicht der Fall ist. Die Verkleinerung der Blöcke sollte der Zunahme und Diversifizierung der Fußgängerströme dienen – ein Anliegen, das durch die Superblöcke zumindest teilweise erreicht wird.

Jacobs‘ einziger Einwand, der in diesem Zusammenhang relevant sein könnte, wäre, dass große Blöcke den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln erschweren. Aber selbst wenn sich die Blöcke auf magische Weise fraktionieren würden, wie ihre Diagramme nahelegen, ist es unwahrscheinlich, dass der öffentliche Verkehr seine festgelegten Routen ändern würde. Es scheint also, dass die Superblöcke in ihren Grundzügen dem theoretischen Rahmen von Jacobs entsprechen.

Entschleunigung und Schaffung von Übergangszonen: Jahn Gehl und seine „weichen Gebäudekanten“

In den Superblöcken lassen sich auch die Visionen des Dänen Jan Gehl erkennen, einem weiteren Vordenker zeitgenössischer städtebaulicher Konzepte. Gehl hat eine entscheidende Rolle bei der Umgestaltung Kopenhagens in eine fußgängerfreundliche Stadt gespielt, vor allem aber durch seine Texte einen enormen Einfluss ausgeübt. Zu seinen zentralen Themen gehört auch eines, das für Rueda von besonderer Bedeutung ist: die Geschwindigkeitsbegrenzung.
In Barcelonas experimentellen Superblöcken wurde nicht nur die Zufahrt für Fahrzeuge eingeschränkt, sondern es wurden auch Geschwindigkeitsbegrenzungen eingeführt, die übertrieben streng erscheinen mögen (10 km/h).

Sprintbahn im Superblock Poblenou, © Curro Palacios/barcelona.cat, unter Lizenz CC BY-NC-ND 4.0

Eine weitere Forderung Gehls (2006), die wir teilweise angewendet sehen, sind die sogenannten „weichen Gebäudekanten“, die auf durchlässigen Fassaden mit sozialen oder kommerziellen Aktivitäten beruhen können oder alternativ einer Abfolge von Zwischenräumen, die die Grenzen zwischen öffentlich und privat verwischen. In diesen Fällen kommt der Vegetation eine entscheidende Rolle zu. Dabei ist vorhersehbar, dass die Beschaffenheit der jeweiligen Umgebung die Art der weichen Kanten bestimmen wird und die Ergebnisse unterschiedlich ausfallen können.

Im Superblock Sant Antoni erkennen wir infolge durchgängiger Fassaden und des vielfältigen Einzelhandelsangebots eine stimulierende Umgebung. Im Superblock Poblenou mit seiner diskontinuierlichen Struktur hingegen, scheint die Interaktion zwischen öffentlichem und privatem Raum stärker von den Zwischenräumen abzuhängen. Das Konzept der weichen Kanten deckt sich perfekt mit den Zielvorgaben der Superblöcke und sollte vielleicht konsequenter in die Debatte um die zukünftige Stadtentwicklung einbezogen werden. Wie könnte die Interaktion zwischen Gebäuden und Straßenraum verbessert werden?

Superblock Sant Antoni, © Mariona Gil/barcelona.cat, unter Lizenz CC BY-NC-ND 4.0

Es empfiehlt sich, an ein weiteres Thema zu erinnern, das Gehls Theorien prägt: seine Warnung vor langen Wegen und übermäßig großen Räumen. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, haben die Superblöcke möglicherweise einen Nachteil: In Cerdàs Eixample stellen die großen Dimensionen des Rasters den bindenden Rahmen, und die Fußgängerbereiche können zuweilen überdimensioniert oder unzureichend genutzt erscheinen. Aber gerade deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, sich bewusst zu machen, dass die Umgestaltung des öffentlichen Raums nicht nur erfordert, Orte zum Verweilen zu schaffen und gemischte Aktivitäten zu fördern – es ist ebenso wichtig, durch die Fragmentierung von Wegen und Räumen angemessene Maßstäbe zu garantieren.

Barcelonas Grünachsen: ein erweitertes Superblock-System

Nun, da das Projekt der Superblöcke in eine neue Phase eintritt und sich auf die gesamte Stadt ausdehnt, ist es wichtig, seine bisherigen Resultate und Zukunftsaussichten zu analysieren. Podjapolskis (2017), einer der Autoren, die den Superblöcken kritisch gegenüberstehen, ist der Ansicht, dass ihre Ausdehnung auf das gesamte Eixample die Vielfalt des Viertels schmälern könnte, und bezweifelt den Nutzen der Etablierung von nur zwei Kategorien von Straßen: jene für Fahrzeuge und jene für Fußgänger. Diese Einschätzung scheint jedoch die Einführung von Grünachsen als zusätzliche Typologie nicht zu berücksichtigen.

Grünachse zwischen den Straßen Almogàvers und Zamora, © Àlex Losada/barcelona.cat, unter Lizenz CC BY-NC-ND 4.0

Die Grünachsen scheinen das zentrale Element dieser neuen Etappe zu sein, die enorme Erwartungen, aber auch einige Kritik hervorruft. Jeder, der zwischen 2000 und 2015 in Barcelona gelebt hat, wird die Straße im Eixample, in die alle Welt umziehen oder in der man unbedingt ein Geschäft eröffnen wollte, benennen können: Enric Granados. Durch Umwandlung zu einer Fußgängerzone und mehr Grün wurde die Carrer Granados zu einer Oase inmitten einer lauten Nachbarschaft und vermochte gleichzeitig seine Vitalität zu steigern.

Auch wenn es in den letzten Jahren Meinungsverschiedenheiten über die Zunahme des von Restaurantterrassen besetzten Raums gegeben hat, so bleibt Enric Granados doch eine wichtige Bezugsgröße für die Gestaltung neuer Grünachsen.
Es gibt wohl kaum eine bessere Werbung als die Präsentation erfolgreicher Ergebnisse, und so soll an dieser Stelle auch auf die jüngste Umgestaltung der Carrer Cristóbal de Moura hingewiesen werden, Prototyp einer Grünachse, deren Ambitionen die der Carrer Enric Granados deutlich übertreffen.

Grünachse Carrer Cristobal de Moura, © GA Barcelona

Verständlicherweise können am für den Stadtumbau neu gesetzten Maßstab Zweifel aufkommen, denn es ist nicht das Gleiche, eine einzelne Straße zu befrieden oder eben jede dritte. Salvador Rueda selbst hat sich kritisch zu den überarbeiteten Zielen der Stadtverwaltung geäußert, die sich von den ursprünglichen Ideen entfernen würden (Suñé, 2022). Es ist wichtig, auch in Zukunft eine ganzheitliche urbane Strategie zu verfolgen, in der die negativen Folgen des Modells mit einkalkuliert werden, um diese zu minimieren, ohne die grundlegenden Zielvorgaben zu gefährden.

Netz der neuen grünen Achsen und Plätze, © Ajuntament de Barcelona

Barcelonas ökologischer Wandel: auf dem Weg zu einer partizipativen und nachhaltigen Stadt

Es ist schwierig, eine vollständige und objektive Bilanz der bisher durchgeführten Maßnahmen zu ziehen. Es liegt auf der Hand, dass es Verbesserungsmöglichkeiten gibt, sei es in Bezug auf die Kommunikation, das Marketing, die Entscheidungsfindung oder die Umsetzung konkreter Konzepte. Die Tatsache, dass fast die Hälfte der befragten Anwohner immer noch Vorbehalte gegen die Superblöcke hat, ist wohl eher eine Folge spezifischer funktionaler und gestalterischer Mängel oder gar politischer Animositäten als eine klare Absage an die dem Projekt zugrunde liegenden Ideen (El Periódico, 2023).

Auf alle Fälle spielt die Bürgerbeteiligung eine entscheidende Rolle für die Akzeptanz und den letztendlichen Erfolg des Programms und ist eindeutig einer der Punkte, an denen gearbeitet werden muss. Intensivierung und Systematisierung im Hinblick auf die objektive Auswertung der Ergebnisse (Faktoren wie Lärm, Luftverschmutzung und sogar die Interaktion zwischen den Menschen sind perfekt messbar) können dazu beitragen, Verbesserungen bei der Umsetzung der Superblöcke sichtbar zu machen und unzufriedene Nachbarn mit ihrer neuen Umgebung zu versöhnen.

Superblock Poblenou, © Curro Palacios/barcelona.cat, unter Lizenz CC BY-NC-ND 4.0

Und wenn Cerdàs Projekt in einer Hinsicht als Vorbild dienen sollte, dann in seiner Widerstandsfähigkeit. Die heterodoxe Anwendung des Eixample-Rasters hat sein Fortbestehen bis heute garantiert und seine Gültigkeit bewiesen. Stadtplanung war noch nie eine exakte Wissenschaft, und die Fähigkeit, sich an Umgebungen mit unterschiedlicher Funktionalität, Morphologie und Dichte anzupassen, dürfte nicht nur für die Konsolidierung des Projekts in Barcelona, sondern auch für dessen Export in andere Städte entscheidend gewesen sein. In diesem Zusammenhang ist die aufschlussreiche Lektüre von Sven Eggimann (2022) zu empfehlen. In jedem Fall ist das Potenzial der Superblöcke enorm und wurde noch nicht vollständig ausgeschöpft. Wir laden Sie ein, deren Entwicklung in den kommenden Monaten und Jahren mit uns zu verfolgen, ohne jemals das kritische Denken aufzugeben.

Stadtmobiliar im Superblock Sant Antoni, © RdA Suisse/Flickr, unter Lizenz CC BY 2.0

Text: Pedro Capriata

BIBLIOGRAFIE

Ajuntament de Barcelona (marzo 2021). Resolución de los concursos de ideas de Superilla Barcelona. https://ajuntament.barcelona.cat/superilles/es/content/resolucion-de-los-concursos-de-ideas-de-superilla-barcelona

Centre de Cultura Contemporània de Barcelona (2014). Salvador Rueda.
https://www.cccb.org/es/participantes/ficha/salvador-rueda/6055

Eggimann, S. (2022). The potential of implementing superblocks for multifunctional street use in cities. Nature Sustainability 5, 406–414.
https://doi.org/10.1038/s41893-022-00855-2

EIT Urban Mobility (2020). How can Superblocks transform public space? | With Salvador Rueda.
https://www.youtube.com/watch?v=H4xPdbPjmzc&t=2s

El Periódico (enero 2023). Aval a los nuevos radares en Barcelona, gran división sobre las ’superilles‘ – Encuesta preelectoral del GESOP.
https://www.elperiodico.com/es/barcelona/20230131/encuesta-elecciones-municipales-barcelona-2023-radares-superilles-patinetes-82220193

Gehl, J. (2006). La humanización del espacio urbano. Editorial Reverté.

Jacobs, J. (2011). Muerte y vida de las grandes ciudades. Capitán Swing Libros.

Podjapolskis, R. (2017). Supermanzanas bajo sospecha: el proyecto de Superislas para Ensanche frente a su alternativa. Universitat Politècnica de Catalunya.
https://upcommons.upc.edu/handle/2117/108293

Rueda, S. (2017). Ecosystemic urbanism: a way to make cities more sustainable. Barcelona Metròpolis, Num 102,
https://www.barcelona.cat/bcnmetropolis/2007-2017/en/author/salvador-rueda/

Suñé, R. (abril 2022). El ‚padre‘ de la supermanzana cuestiona por ineficiente el plan del Ayuntamiento de Barcelona. La Vanguardia.
https://www.lavanguardia.com/local/barcelona/20220429/8233036/padre-supermanzana-cuestiona-ineficiente-plan-ayuntamiento-barcelona.html

Wikipedia (2022). Plan Cerdá
https://es.wikipedia.org/wiki/Plan_Cerd%C3%A1

Published On: März 13, 2023Categories: blog
APROP: Container-Häuser zur Bekämpfung der Wohnungsnot in Barcelona
Neuer sozialer Wohnbau in Barcelona, ein Vorbild für Innovation und Nachhaltigkeit